Samstag, 29. Juni 2019


Beitrag aus Jahrbuch Kreis Euskirchen 1990

>>Feuerregen<< in Mahlberg

20.Oktober 1899: Ein Dorf geht fast vollständig unter


Von Edgar Fass


Wir schreiben Freitag,  anno domini 20. Oktober 1899:  Der heutige Herbsttag verspricht gutes Erntewetter.  Die aufgehende blutrote  Scheibe der Sonne hinter der Silhouette des Michelsberges durchdringt den Morgennebel und läßt die Reifpartikel auf den Gräsern, Sträuchern und Bäumen wie feines Kristallflitter erstrahlen. Die Nacht war kalt und brachte die ersten Frosttemperaturen.  Die bunt gefärbten Blätter der Bäume verwandelten den Wald in ein Farbenmeer, das in den Farbtönen strohgelb über hellbraun bis himbeerrot erstrahlte.Ein heftiger Windstoß wirbelte die ersten Blätter von den Ästen und ließ sie sterbend auf den Waldboden sinken.
Über den fahlen Herbsthimmel jagten vom aufkommenden Wind getrieben Wolkenfetzen dahin.
Einzelne Windstöße rüttelten an den Dächern der Häuser des kleinen Eifeldorfes Mahlberg. Die Fachwerkhäuser ,  Scheunen und Stallungen waren alle aus demselben gottgewollten Material gebaut: Dem Lehm des Bodens,  dem Eichenholz des Waldes und dem Roggenstroh des Feldes. Anderes, kostspieliges Baumaterial wie Ziegelsteine oder Dachpfannen konnten sich nur die wenigsten leisten. Zwar gab es mittlerweile per Gesetzverordnung das Verbot des Strohdeckens von neuzuerrichtenden Bauten, und die Feuerversicherungen ließen sich das erhöhte Risiko teuer bezahlen, aber bei den jahrhundertealten  Häusern mochte wegen der Armut niemand die Kosten für eine teure Umrüstung der Strohdächer aufbringen.
Die wochenlang andauernde Dürre ließ das Dachstroh völlig austrocknen.Der sonst um diese Zeit mit Wasser gefüllte Dorfteich glich nur noch einem morastigen Tümpel. Der Dorfvorsteher hatte dies am Vorabend noch mit Sorgen festgestellt und gen Himmel auf die Anzeichen von Regenwolken geschaut. Der Dorfhirte für die Schafe,  in Wettervorhersagen kundig, sagte für den morgigen Freitag Sturmwind mit nachfolgendem Regen voraus.  Die Bauern im Dorf waren sich einig, morgen die restliche Kartoffelernte einzubringen,  solange das Wetter mitspielte. Danach mochte es ruhig regnen.

Über dem Michelsberg zog ein in Keilformation fliegender Schwarm Kraniche aus dem hohen Norden ihren südlichen Winterquartieren entgegen,  während einige Rabenvögel krächzend über dem Dorf flatterten und sich schließlich auf den Dächern einiger Häuser niederließen. Einige ältere Leute betrachteten mit abergläubischer Scheu die Unglücksboten, das konnte Unheil für den Tag bedeuten.

Nach dem Frühstück rüsteten die arbeitsfähigen Dorfbewohner, mit Ausnahme von einigen jungen Männern, die bei einem Bauern mit dem Göpel das zuletzt eingebrachte Getreide dreschen wollten,  für die heutige Kartoffelernte.Männer und Frauen zogen dazu ihre Arbeitstracht an,  die bei den Männern aus Kniehosen (Box genannt),  wadenlangen Wollstrümpfen und dunkelblauem Leinenkittel bestand. Auf den Kopf setzten sie sich dazu flache, breiträndrige und aus dünnen Holzspänen geflochtene Hüte. Die Bäuerinnen trugen Röcke aus dunklem Stoff, darüber eine bunte oder gestreifte Schürze. Den Oberkörper wärmte die Jacke, die in einem dicken ausgestopften Ring endigte, der die Röcke trug. Ein Schulter- und Brusttuch aus Wolle umrahmte den Hals. Ihre Köpfe schützten große, buntgefärbte und schulterlange Kopftücher, während ältere Frauen vereinzelt noch eine weiße Leinenmütze trugen, die mit langer Schleife unter dem Kinn gebunden wurde.
Die Frauen packten Butterbrotstullen und mit Tee gefüllte Feldflaschen in ihre geflochtenen Weidenkörbe. Die Männer überprüften  das Arbeitsgerät,                                           


                            Das neuaufgebaute Dorf Mahlberg mit dem alten Spritzenhaus

und hin und wieder mußte der Schleifstein zum Nachschärfen in Aktion treten. Schon bald beluden die ersten Karren mit allerlei Körben,  aus Haselnuß-  oder Eichenruten geflochten,  Zinken,  Hacken und Jutesäcken und schirrten Ochsen oder Pferde an.
Danach nahm die Familie auf dem Karren Platz und schon bald verließen die Gespanne nach und nach den Ort, während die ärmeren Familien mit kleinen Ackerparzellen mit einem Handkarren nachkamen.Die älteren,  nicht mehr arbeitsfähigen Leute blieben zur Aufsicht der Kleinkinder im Dorfe zurück und blickten den Davonziehenden nachdenklich nach. So verlief der Tag zunächst ruhig und voll emsiger Arbeit im Felde. Der knochentrockene Boden erschwerte das Ausgraben der geschätzten und nahrhaften Knollenfrüchte in mühevoller Handarbeit mit der zinkenförmigen Hacke. Nach der Mittagsrast steigerte sich der bis dahin erträgliche Wind. Er heulte und pfiff jetzt und ließ die Kleidung flattern. Das Nachlassendes Sturms würde wohl den ersehnten Regen bringen und so plagte man sich,  vorher noch mit der Erntearbeit fertig zu werden.Die abgearbeiteten,  schwieligen Hände gruben unermüdlich das lehmige und steinharte Erdreich um. Dem Bauer auf dem Fuß  folgten die Bäuerin mit den halbwüchsigen Kindern. Ihre Aufgabe bestand darin,  die im Volksmund "Ätäppel" genannten ausgegrabenen Kartoffeln  von der Erdkrume zu befreien und in die mitgeführten Spankörbe zu raffen. Nach dem Füllen derselben schüttelte man den Inhalt in die bereitstehenden Jutesäcke. Die Kinder schwatzten trotz der aufkommenden Müdigkeit und schmerzenden Knien munter und freuten sich nach getaner Arbeit auf einige der "Ätäppele", die dann in der heißen Ache des Kartoffelkrautfeuers gebraten würden.
Von einer der Familien, die etwa in der Dorfmitte wohnte,  blieben an diesem Tage die Bäuerin und die jüngsten Kinder zu Hause. Sie beschäftigte sich mit dem Herstellen der dringend benötigten Butter. Außerdem bedurften noch die kranken Großeltern im Hause der ständigen Pflege, die die Familienmitglieder abwechselnd betreuten. Es ging auf fünf Uhr nachmittags zu. Während die Mutter mit den Vorbereitungen für das Abendessen begann, das beim Eintreffen des Vaters mit den älteren Kindern nach der anstrengenden Feldarbeit fertig sein sollte, dauerte den Kleinen die Zeit zu lange. Außerdem begann ihnen der Magen zu knurren und so kam einer von ihnen auf die Idee, die in den letzten Tagen heimlich "stibitzten"  (beiseite geschafften) und in der Scheune versteckten "Ätäppele" heimlich auf der "Peisch" genannten Wiese unbemerkt zu braten. Sofort setzten sie das Vorhaben in die Tat um, wobei ihnendas Wasser im Munde zusammenlief.Sie sammelten etwas Reisig zusammen und schichteten es auf ein wenig Heu und versuchten, es trotz des heftigen Windes mit Schwefelhölzern zu entzünden.Aber der böige Wind machte ihre Bemühungen jedesmal zunichte und fegte das Brennmaterial in alle Richtungen davon. Nach mehreren vergeblichen Versuchen machte einer von den "Knirpsen" den Vorschlag, es auf dem Lehmboden in der Scheune zu versuchen und nur wegen des gelagerten Heus und Strohs achtzugeben. So verlegten sie die Feuerstelle in die windgeschützte Scheune und ließen das Scheunentor einen Spalt offen,  damit der Rauch dort abziehen könne.
Schon beim ersten Versuch mit dem Zündholz brachten sie diesmal das Feuer in Gang. Schon bald schmorten einige der Kartoffeln in ihrem Saft und verbreiteten einen angenehmen Duft in ihren Nasen.Sie achteten nur noch auf ihre Leckerbissen, als eine urplötzliche Orkanbö einige Funken und brennendes Reisig in den Heustapel schleuderte, aus dem sofort prasselnd Flammen hervorloderten.Die Überraschten rannten schleunigst dorthin, um die hochzüngelnden Flammen mit ihren Füßen zu löschen und zu ersticken.Aber es nutzte nichts. Sie brachten das sich im Heu rasch ausbreitende Feuer nicht unter Kontrolle, versengten sich die Beine und schrien aus Angst und Verzweiflung. Das vernahm die Mutter in der Küche und eilte herbei. um nach dem Rechten zu sehen. Sie schlug entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen und zeterte lautkreischend: " Ihr Saulabbesse, wat hat ihe anjestellt. Ich jeven üch Klöpp" und begann damit, sich die Missetäter zu greifen und zu züchtigen, anstatt einen Löschversuch zu machen, was einem Erwachsenen mit Hilfe einer Schaufel oder Spaten noch hätte gelingen können.Als sie außer Atem bald darauf zum Löschen in die Scheune zurückkehrte, gab es schon nichts mehr zu retten. Der Heuhaufen stand bereits lichterloh in Flammen und erfaßte augenblicklich auch die Strohgarben und Getreidevorräte. So nahm die verheerende Brandkatastrophe von Mahlberg unaufhaltsam ihren Lauf, durch mehrere Übel begünstigt.Fast alle einsatzfähigen Kräfte befanden sich außerhalb des Dorfes im Ernteeinsatz,der orkanartige Wind fachte das Feuer an, es stand kaum Löschwasser zur Verfügung,  die lange Trockenperiode hatte die Gebäude ausgetrocknet  und die schmale Dorfstraße und beengte Bauweise Haus an Haus ermöglichte die Ausdehnung des Feuers.

Der Tag neigte sich zu Ende,und die Ziffern der silbernen Taschenuhr des Ortsvorstehers Mies zeigten bereits 5 Uhr Spätnachmittag. Die untergehende Sonne stand in rötlichem Glanz hinter der Bergkuppe der Kopnück. Bald würde die Dunkelheit hereinbrechen. Er hielt zum Ausruhen einen Moment inne. Die letzte Reihe der Kartoffelstauden würde man gleich in Angriff nehmen und käme dann dieses Jahr mit einer letzten guten Ernte nach Hause. So könnte er beruhigt mit den anderen Bauern im Dorfe am Sonntag zum Frühschoppen gehen und sich einen Wacholderschnaps und einige Gläser würziges Eifeler Bier beim Skatspiel in geselliger Runde in der Dorfschenke genehmigen. Dabei ließen sich auch Pläne für die nächste Gemeindeversammlung schmieden, Neuigkeiten im Dorf austauschen und Verhandlungen über den Kauf oder Verkauf einer Ackerparzelle führen. Die Notjahre mit den Mißernten der 80er Jahre hatte man gottlob überstanden.Das Jahr 1899 brachte allen Bauern in der Gegend gute Ernteerträge, angefangen mit der Heuernte über die Getreide- und Rübenernte bis letztendlich zur Kartoffelernte. Zwar geriet die Frucht aufgrund der längeren Trockenheit etwas magerer,  dafür gab es jedoch keine Einbußen durch zu hohen Wassergehalt und Fäulnis,  zudem verlief das Einbringen der Ernte dank der beständigen Witterung problemlos. Stolz dachte der Bauer an die mit Futtervorräten gefüllte Scheune. Er zog bedächtig seine Pfeife aus der Westentasche, stopfte aus dem Lederbeutel einige Krumen Tabak hinein und entzündete ein Streichholz, das wegen der heftigen Windstöße in der hohlen Hand gegen das Erlöschen kämpfte. Die Flamme hielt er vorsichtig an den Pfeifenkopf,  blickte dabei Richtung Mahlberg und erstarrte im selben Moment.  In der Mitte des Dorfes loderte aus der Scheune des Nachbarn ein Feuerschweif in den rotgefärbten Himmel.  Er rieb sich unwillkürlich seine von der Anstrengung der Arbeit müden Augen.  Träumte er etwa oder täuschte und blendete ihn das Licht der untergehende Sonne?. Nein! Der Feuerstrahl fraß sich mit der Geschwindigkeit des Sturmes in das Strohdach und griff funkensprühend auf das Dach des Wohnhauses über. Mit vor Schreck aufgerissenem Mund im erbleichten Gesicht starrte er auf das Unfassbare.Dabei riss er unwillkürlich seine mit dem Einsammeln der Kartoffeln beschäftigten Frau am Ärmel hoch und stammelte mit ausgestreckter Hand Richtung Dorf zeigend: " Mamm, lur, et brennt em Dörp"." Oh wih noch nee, uss Dörp es vorlore",  der entsetzte Aufschrei der Frau des Ortsvorstehers übertönte das Brausen des Sturms und alarmierte die Feldnachbarn,  die erschreckt in der Arbeit inne hielten, "Feuer, es brennt", geht der Ruf von Mund zu Mund und von Feld zu Feld. Zunächst fassungslos rennen die einen los,  während andere sich aufs Pferd schwingen oder mit dem Ochsenkarren losjagen in der Hoffnung, vielleicht noch etwas vom Dorf oder der Habe retten zu können. Doch sie ahnten,dass es beim Eintreffen für die meisten Häuser, Scheunen und Ställe bereits zu spät sein würde..

Hilfeschreie der Kinder 

Die wenigen im Dorfe Verbliebenen,  ohnehin fast nur Kleinkinder und gebrechliche Greise oder Kranke, konnten das Feuer nicht aufhalten.  Vom Brandherd her drangen die Hilfeschreie der Kinder und der schuldigen Bäuerin, die nur noch gerade ihre Großeltern aus dem Hause und das in dem verschlossenen Stall in panischer Angst brüllende Vieh retten konnte.An Brandbekämpfung war nicht zu denken, eine Feuerwehr oder Löschgerät gab es damals, abgesehen von einigen Brandeimern und Feuerpatschen,  noch nicht. Im Dorfweiher befand sich ohnehin kaum noch Wasser und der Brunnen im Oberdorf war zu weit entfernt. Zunächst galt es,  die nicht Gehfähigen aus den gefährdeten Häusern in Sicherheit zu bringen und das Vieh aus den Ställen zu retten. Die wenigen jungen Burschen und Männer im Dorf rannten zum Brandort. Der Wind schleuderte ihnen bereits von weitem einen Funkenregen und brennende Strohgarben entgegen,beißender Qualm erschwerte das Atmen. Sie stürzten in die bereits zum Teil brennenden Häuser, manchmal Türen oder Fenster aufbrechend, holten die nicht fluchtfähigen Eingeschlossenen heraus und brachten sie in einiger Entfernung in Sicherheit.
Das in Todesangst brüllende und in den Ställen angekettete Vieh angesichts der sich mit unglaublicher Geschwindigkeit ausbreitenden Feuerwalze,  das Prasseln und Knistern der Flammen, der taghell erleuchtete und mit Rauch gefüllte Abendhimmel, all das wirkte wie ein Inferno.Die enge Dorfstraße ermöglichte dem immer wieder vom Sturm angefachten Feuer,  auf die Dächer und Häuser der gegenüberliegenden Straßenseite überzuspringen. Die Flammen fanden in dem ausgetrockneten Stroh der Dächer und morschen Fachwerkbauten reichlich Nahrung. Es gelang in den meisten Fällen noch, das Vieh ins Freie zu lassen, sofern es nicht von selbst aus den Stallungen ausbrach und brüllend umherlief. Leider konnten 3 Kühe und 1 Schwein nicht mehr vor dem Tod in den Flammen gerettet werden.

Machtlos

Die von den Feldern herbeigeeilten Menschen erreichten erschöpft das bereits fast vollständig brennende Dorf.Machtlos standen die Bewohner des Ortes dem verheerenden Element gegenüber und sahen ihre Habe in den Flammen untergehen. Nur aus den entfernteren Häusern gelang es vereinzelt, das Notwendigste und etwas Mobilar in Sicherheit zu bringen. Löschwasser stand nur in der Nähe des Brunnens,mit Eimern mühsam herbeitransportiert,zur Verfügung.
Der Wind kam aus nordöstlicher Richtung und trieb das Feuer bis zum Oberdorf.Der Ortsvorsteher versammelte  dort die Männer gegenüber der in die Hauptstraße einmündenden Bielengasse und man beschloß, mit Äxten und Schaufeln hier notgedrungen eine Bresche in die Häuserzeilen zu schlagen, um so das Feuer durch die entstandene Lücke zu stoppen und wenigstens einige Häuser zu retten. Sie rissen von einem baufälligen Stall in aller Eile vor dem Herannahen der Flammenwand das Dach und die Fachwerkwände ein und  schufen so eine 20 Meter breite Lücke. Bis zum Ziehbrunnen brauchten sie von hier aus noch etwa 100 Meter. Zum schnelleren Heranholen des Löschwassers in den Eimern bildeten die Dorfbewohner dann in aller Eile eine Menschenkette.
Die Löscharbeiten konzentrierten sich auf die entstandene Bresche und das dahinter angrenzende Wohnhaus, von dem man vorsichtshalber noch das Strohdach abriß. Es bestand nur eine geringe Hoffnung, hier die Flammenwalze endlich aufzuhalten.  Dagegen konnte sich im Unterdorf kurz vor der einmündenden Winkelsgasse das Feuer dank einiger unbebauter Grundstücke nicht weiter ausdehnen, zumal der Wind hier aus der entgegengesetzten Richtung kam.

Die hohe Lage des Dorfes ließ den Feuerschein bis weithin sichtbar werden. Aus dem Nachbar- und Pfarrort Schönau eilten mit Fuhrwerken Hilfskräfte herbei, die auch eine alte Löschspritze mitbrachten. Auch aus den weiter entfernten Ortschaften trafen nach und nach Helfer ein.Vom Turm der Pfarrkirche St. Goar in Schönau läuteten unentwegt die Sturmglocken, auch das Glöcklein der Kapelle auf dem Michelsberg rief in hellem Klang über die Eifelberge. Mit großer Anstrengung und vereinten Kräften gelang es, das Feuer zumindest an der Breschstelle aufzuhalten und einzudämmen. Urplötzlich stand jedoch in etwa 50 m Entfernung seitlich in der Bielengasse das Wohnhaus Raaf, hervorgerufen durch ein vom Wind herangewehtes brennendes Strohbündel, in Flammen. Der Besitzer konnte auf die Schnelle noch die alte wertvolle Eichentür mit Bleibeschlägen und der Jahreszahl, herbeigeeilte Helfer wenige Möbelstücke und die Frau Wäsche retten, bevor auch dieses Haus in Flammen aufging. Die Helfer konnten nur noch eine Ausdehnung des neuen Brandes auf Scheune und Stallungen und weitere Häuser verhindern. Das Feuer wütete bis 7 Uhr abends, den größten Teil des Dorfes Mahlberg einäschernd.Der Rettungseinsatz dauerte bis spät in die Nacht. Das krachen des einstürzenden Gebälks der Häuser übertönte immer wieder das Brausen des Sturms.  Vereinzelte Brandherde flackerten immer wieder auf, bis endlich im Morgengrauen, jedoch leider zu spät,  der Sturm abflaute und der einsetzende Regen die letzten Flammen und aufflackernde Glut erstickte. Der Brand äscherte insgesamt 23 Häuser ein.Die in ohnehin ärmlichen Verhältnissen lebenden Familien verloren ihr Obdach, Haus und Hof.Sie fanden zunächst notdürftig bei den wenigen Mitbürgern von Mahlberg, deren Häuser verschont blieben oder bei Verwandten in den Nachbargemeinden Unterschlupf bzw. ein Notquartier. Die meisten konnten nur wenige Sachen retten, viele haben nur das behalten, was sie am Leibe trugen. Für sämtliche Häuser bestand zwar ein Feuerversicherungsschutz. Dagegen waren Mobilar, Getreide,  Vieh usw. und auch mehrere Gebäulichkeiten nicht versichert. 


                               Das wiederaufgebaute Haus Wasem in Mahlberg mit der Jahreszahl 1900 in Eisenlettern

Das ganze Ausmaß der Katastrophe zeigte sich erst am anderen Morgen. Der einstmalige Ort sah wüst und traurig aus. Einsam ragten einige Schornsteine und Mauerreste aus dem Trümmerfelde empor, aus dem noch Rauchschwaden in den wolkenverhangenen Himmel stiegen. Überall liegt Brandgeruch in der Luft. Streunende Katzen und Hunde suchen nach ihren Besitzern und ihrer früheren Bleibe. Die geretteten Rinder, Schweine und das Federvieh kamen notdürftig in einigen eingezäunten Arrealen unter. Die Katastrophe von dem fast vollständigen Untergang des Dorfes Mahlberg sprach sich rasch herum, so dass am folgenden Sonntag mehrere Tausend Menschen die Brandstätte aufsuchten. So konnte sich jeder ein anschauliches Bild von dem Elend der Betroffenen machen,  die ihre ganze Habe verloren und nun vor dem Nichts standen.Neben dem Verlust ihrer Häuser, für die wenigstens Versicherungsschutz bestand,  traf die so furchtbar Heimgesuchten, dass die gesamten Erntevorräte und das Viehfutter verbrannten. Sie dachten schon mit Schaudern an den bevorstehenden Winter,  für den es jetzt an Kleidung fehlte. Womit sollten sie das arme Vieh versorgen? Eine Kreditaufnahme kam für die wenigsten in Frage.Die Schaulustigen von nah und fern beratschlagten spontan, dass eine gemeinsame Hilfsaktion für die Betroffenen vonnöten sei. Schon bald trafen die ersten Geld- und Sachspenden beim Ortsvorsteher ein, der auch selbst sein Heim verloren hatte.In der Wohnstube eines verschont gebliebenen Hauses richtete er eine Sammelstelle für die Spenden und Hilfsgüter ein. So konnte er schon bald Winterkleidung an die Bedürftigen verteilen.

Alsbald erging ein Aufruf der kommunalen Behörden und seitens der Kirche, den die Münstereifeler Zeitung in ihrer Ausgabe vom 25. Oktober 1899 abdruckte. Er lautete:

*** s. Fotokopie
Dieser Aufruf sollte nicht ungehört verhallen.Allerorten kam es zu bereitwilligen Spendenaktionen und Veranstaltungen im ganzen Rheinland zugunsten der Feuergeschädigten. Man sammelte in Kirchenkollekten, es gab Tombolas und Konzerte vieler Gesangvereine, Orchester und namhafter Künstler,  deren Erlös den Notleidenden von Mahlberg zugute kam. Besondere Erwähnung verdient ein Wohltätigkeitskonzert, dass die in Münstereifel weilenden Geschwister Ernestine und Elmire Boucher, Enkelinnen des berühmten Violin-Virtuosen Alexander Boucher aus Paris am 31. Oktober 1899 durchführten.
Es erging im Annoncenteil der Münstereifeler Zeitung (auszugsweise) folgender Aufruf: " Zu  unserer  Freude erfahren wir,  dass die beiden kunstgeübten Damen am Sonntag Abend in unserer Stadt ein Wohltätigkeitskonzert veranstalten wollen, dessen ganzer Ertrag zur Linderung der durch das schreckliche Brandunglück in Mahlberg hervorgerufenen Not bestimmt sein soll.Wir hoffen, dass unsere Mitbürger, welche bereits von berufener Seite zu milden Gaben für die Notleidenden aufgefordert sind, diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, um zugleich ein gutes Werk zu tun und sich einen Kunstgenuß zu verschaffen, wie er schöner und edler nicht gedacht werden kann.Möge der edlen Absicht der Künstlerinnen der gute klingende Erfolg entsprechen zum Besten unserer so hart vom Schicksal heimgesuchten Nachbargemeinde!"
Vielen ähnlichen Veranstaltungen überall in der Eifel bis hin zum Niederrhein war Erfolg beschieden.Mit den ersammelten und gespendeten Talern konnte das Notwendigste und Nahrung für die Menschen und Futtermittel für das Vieh gekauft werden.Bald standen auch Mittel aus dem Fonds der Feuerversicherung für den Wiederaufbau des Dorfes Mahlberg zur Verfügung.

Der Gemeinderat zog Konsequenzen aus den Mißständen ,  die das Ausmaß der Brandkatastrophe begünstigten. Die Hauptstraße,  heute in Breite Straße umbenannt, ließ man aus Sicherheitsgründen  für damalige Verhältnisse großzügig verbreitern und die Häuserparzellen zurückverlegen. An mehreren zentralen Punkten im Ort ließ man Löschwasserteiche anlegen, von denen heute keiner mehr existiert.Nur noch ältere Dorfbewohner können sich noch an die Namen Brandweiher (ziemlich tief und mit Ziegelsteinen ummauert),jetzt Standort der Mahlberger Kirche,  dazu parallel dem flachen Knoppensweiher, Lingscheidts Weiher  und Fringsweiher, dazu den Stocksbuddel in der Winkelsgasse sowie ein weiterer Brunnen, Drompützche genannt,  erinnern. Letzterer diente vor allem in Trockenjahren als Viehtränke. Auch kam es zum Bau eines Spritzenhauses (für die neu angeschaffte Löschspritze) und zur Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr, die seither in vielen Notfällen selbstlose und partnerschaftliche Hilfe leistete.Schon bald begann der Neuaufbau. An einigen Häusern, fast ausnahmslos in Ziegelbauweise oder anderem Steinmaterial errichtet,  kündet die Jahreszahl 1900 in schmiedeeisernen Lettern von der Wiedererstehung des zerstörten Dorfes.

Quellen: Mündliche Überlieferung in Mahlberg und Berichte der Münstereifeler Zeitung Nr. 43 von 1899




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